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Zuchtgeschichte

 

Die Geschichte des Lehmkuhlener Ponys beginnt Anfang des 20. Jahrhunderts auf dem Gut Lehmkuhlen der Familie von Donner in der Nähe von Plön, Schleswig-Holstein. Baronin Agnes von Donner züchtete dort 'edle Adelsreitponys'.

Mit dem Erwerb des Hengstes „Marquis Ito“ sowie einigen Stuten der Rasse Dülmener Wildpferd aus dem Bestand des Herzogs von Croy, mit dem die Baronin befreundet war, sowie einigen englischen und Kriegsbeutestuten unbekannter Herkunft wurden die ersten systematischen Zuchtversuche unternommen.

 

Von Anfang an führte die Baronin ein handschriftliches Zuchtbuch. Zunächst züchtete sie für ihre eigenen Kinder, bald schon verschenkte sie regelmäßig Ponys an befreundete Adelsfamilien. Die schicken Ponys erfreuten sich schnell wachsender Beliebtheit.

Die Zucht entwickelte sich prächtig, nach wenigen Jahren lebten zwischen 60 und 80 Ponys auf den Weiden des  Gutes. Die Rasse wurde offiziell anerkannt. Die Ponys wurden ab 1936 im neu angelegten Ponystutbuch des Reichsverbandes für Zucht und Prüfung Deutschen Warmbluts registriert und eingetragen, ab 1942/1943 im Deutschen Kleinpferdestammbuch beim Verband der Kleinpferdezüchter Deutschlands e. V. zusammen mit den Dülmener Wildpferden und ab 1947 im Pferdestammbuch Schleswig-Holstein/Hamburg e. V.

Aus wirtschaftlichen Gründen musste Familie von Donner das Gut Lehmkuhlen 1953 verkaufen, auch die Ponyzucht wurde aufgegeben und die Ponys wurden verkauft. Reitponys wurden in der Nachkriegszeit kaum nachgefragt, die Ponys verteilten sich in ganz Deutschland. Das Lehmkuhlener Pony stand vor dem Aussterben.

Dass das Lehmkuhlener Pony dennnoch bis heute als Rasse überlebt hat, ist insbesondere drei Züchtern in Schleswig-Hostein zu verdanken: Hans Kurt von Eben, Götz von Donner und Friedrich Lilienthal. Auch in der ehemaligen DDR wurden einige Lehmkuhlener Ponys für die Zucht des DDR-Kleinpferdes herangezogen, allerdings wurde keine Reinzucht betrieben.

 

 

'Retter der ersten Stunde' war Hans Kurt von Eben aus Niederkleveez. Er konnte 1964 durch Zufall den Lehmkuhlener Hengst Sirius sowie eine gescheckte Stute mit viel Lehmkuhlener-Blut aus der Zucht des Gestüts Seegalendorf erwerben. Mit diesen Tieren setzte er die Lehmkuhlener Zucht fort  und dokumentierte seine Zuchtaktivitäten, wie zuvor Baronin von Donner in einem handschriftlichen Zuchtbuch.  Da seine Zucht nur sehr klein war und er Inzuchtdepressionen vermeiden wollte, setzte Kurt von Eben, ähnlich wie früher schon Baronin von Donner, zur Blutauffrischung Hengste der Rassen Welsh Pony und Dülmener Wildpferd ein. Seine Ponys ließ Kurt von Eben anfangs beim Pferdestammbuch Schleswig-Holstein/Hamburg e. V. eintragen und kören, trat jedoch dann aus finanziellen Gründen (Mitgliedsbeiträge, Körgebühren etc.) aus dem Verband aus. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) führte die Rasse seitdem als 'ausgestorben'. Kurt von Eben setzte sich jedoch mit der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Nutztierrassen e. V. (GEH) in Verbindung, die das Lehmkuhlener Pony auf die Rote Liste der bedrohten Pferderassen aufnahm. Er führte die Lehmkuhlener Zucht bis zu seinem Tod im Jahr 2002 fort.

Nach dem Tod von Hans Kurt von Eben blieb ein kleiner Teil seiner Zuchtherde bei seiner Schwester, Britta von Busse, die auch noch heute Lehmkuhlener Ponys züchtet. Der Junghengst Ito II ging an die damalge Pflegerin der Ponys, Katrin Ruser. Auch Götz von Donner, Enkel derZuchtbegründerin Agnes von Donner, erwarb aus der Zucht von Hans Kurt von Eben den Deckhengst Seidlitz sowie einige Zuchtstuten. Er wollte die von seiner Großmutter  gegründete Rasse auf seinem Galloway-Hof weiterzüchten und bewahren. Er arbeitete ein Zuchtziel aus und führte das von seiner Großmutter und Hans Kurt von Eben handschriftlich geführte Zuchtbuch weiter. Es waren vor allem Nostalgiegründe, die ihn dazu bewegten, die Ponyzucht fortzuführen.

Götz von Donner arbeitete schließlich mit Matthias Vogt, dem damaligen Berater für Pferderassen bei der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e. V. (GEH), zusammen, welcher sich sehr für das Lehmkuhlener Pony einsetzte. Er suchte bundesweit nach Restbeständen der Lehmkuhlener Ponys und bemühte sich sehr, einen Zuchtverband zu finden, der die Rasse wieder anerkannte. Matthias Vogt sammelte innerhalb weniger Jahre Unmengen an Informationen, fotografierte und katalogisierte alle noch lebenden Lehmkuhlener Ponys, die er ausfindig machen konnte, brachte verschollene Ponys aus Bayern zurück nach Schleswig-Holstein und führte Gespräche mit dem Pferdestammbuch Schleswig-Holstein/Hamburg e. V. über eine Rasseanerkennung. Allerdings zeigte der Zuchtverband kein Interesse daran, die Lehmkuhlener Ponys wieder aufzunehmen.

Jasper Nissen, einer der führenden deutschen Hippologen, fasste die Situation in der Lehmkuhlener Pony-Zucht in seinem Buch "Enzyklopädie der Pferderassen Band 1" (1997, Frankh-Kosmos-Verlag) wie folgt zusammen: "Es ist kaum glaublich, was, nicht etwa durch die Einwirkungen des 2. Weltkrieges, die zerstörend genug gewesen waren, sondern in der Nachkriegszeit durch behördliche Fehlentscheidungen und obrigkeitliche Anmaßung und Überheblichkeit an Kulturgut in Schleswig-Holstein vernichtet worden ist."

 

Neben Hans Kurt von Eben und Götz von Donner bemühte sich auch Friedrich Lilienthal aus St. Peter-Ording um die Zucht der Lehmkuhlener Ponys. Er sah Ponys dieser Rasse erstmals auf einem Turnier in den 1950er Jahren in der Ostseehalle in Kiel. Ein Gespann Lehmkuhlener-Rapp-Hengste aus dem Besitz der Spedition Neelsen eggte dort im wilden Trab und Galopp den Boden der Ostseehalle. Er setzte sich das Ziel, die Rasse vor dem Aussterben zu bewahren und versuchte lange, der Spedition Neelsen einige Ponys abzu-kaufen. Aber die Ponys waren unverkäuflich. Zuletzt gelang es ihm mit viel Überredungskunst doch, den straßenlahmen Lehmkuhlener Hengst Pascha sowie einige Stuten zu erwerben. Er versuchte vergeblich, den Hengst beim Pferdestammbuch Schleswig-Holstein/Hamburg e. V. kören zu lassen.  Somit musste er ohne Zuchtverband weiterzüchten. Wie bei Hans Kurt von Eben war jedoch die Zchtbasis von Friedrich Lilienthal sehr klein. Um zu starke Inzucht zu vermeiden, entschied er sich, den kleinen Vollblutaraber-Hengst Kadett ox sowie den Holsteiner-Hengst Vinci einzusetzen. Beide bewährten sich in der Zucht. Es gelang ihm, den den Ponytypzu erhalten, die Ponys wurden aber ein wenig größer mit mehr Springvermögen. Doch er experimentierte weiter mit anderen Fremdhengsten, was dazu führte, dass die Lehmkuhlener Ponys seiner Zucht sich stark vom ursprünglichen Zuchtziel entfernten. Aus Altersgründen musste er schließlich die Zucht gegen Ende der 1990er Jahre einstellen und einen Teil seiner Herde von fast 30 Ponys verkaufen. Die restlichen Ponys blieben bei seinem Sohn Olaf Lilienthal, welcher die Zucht seines inzwischen verstorbenen Vaters bis heute weiterführt und zusätzlich Deutsche und Dänische Reitponys einkreuzte.

Über die Erhaltungsanstrengungen der GEH erfuhren mehr Menschen von der Existenz der Rasse. Zwei Bachelorarbeiten zum Lehmkuhlener Pony wurden von der GEH ininiiert, es fanden sich neue Züchterinnen. 2014 gründete sich unter dem Dach der GEH die Interessengemeinschaft Lehmkuhlener Pony. Von 2018 bis 2020 erfolgte die Aufnahme der Gründerstuten und -hengste im Zuchtverband für deutsche Pferde (ZfdP), in dem die Lehmkuhlener Ponys seit 2018 als wieder anerkannte Rasse geführt werden.

 

 

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Favorito v. Marquis Ito a. d. Dolly
(Foto: von Donner)
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Kurt von Eben mit dem Hengst Pedro III v. Eulenspiegel a. d. Gräfin
(Foto: Matthias Vogt)
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